Charles Perrow, Soziologe und Organisationstheoretiker, USA
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- Geschrieben von Urs Fitze
«Atomkraftwerke gehören verboten.»
Charles B. Perrow ist Organisationstheoretiker und Soziologe. Mit seinem 1985 kurz vor der Katastrophe in Tschernobyl erschienenen Buch »Normal Accidents. Living with High-Risk-Technologies« (1987 dt. »Normale Katastrophen. Die unvermeidlichen Risiken der Großtechnik«) warnt Perrow vor der Unvermeidbarkeit von katastrophenartigen Unfällen in eng gekoppelten und komplexen Systemen. Erklären ließen sich diese Unfälle einzig durch die Wechselwirkung einer ganzen Reihe von Fehlentscheiden. Diese Fehler könnten aus unterschiedlichsten Gründen und vor allem nicht vorhersehbar auftreten.
»Manche Experten behaupten, die Wirkung niedriger Strahlendosen sei zu gering, um überhaupt messbar zu sein. Da widerspreche ich energisch. Natürlich ist es extrem schwierig abzuschätzen, wie viele Menschen weltweit an den Folgen von Tschernobyl oder Fukushima sterben werden. Denn es gibt auch viele andere Ursachen, einen früheren Tod zu sterben. Und es ist angesichts der niedrigen Fallzahlen auch sehr schwer, den Nachweis zu erbringen, ob niedrige Strahlendosen für einen signifikanten Anteil der vorgeburtlichen Aborte verantwortlich sind. Doch niemand kann trotz dieser methodischen Schwierigkeiten ernsthaft bezweifeln, dass die ganze Welt vom radioaktiven Niederschlag betroffen ist. Das lässt sich mit solchen Argumenten nicht einfach wegdiskutieren. Aber die Nuklearindustrie und die Internationale Atomenergie-Organisation tun alles, um diese Risiken zu verharmlosen.
In den Vereinigten Staaten sind Kohlekraftwerke für den Tod von Tausenden von Menschen verantwortlich – jedes Jahr. Die Zahl dieser Todesfälle ließe sich mit strengeren Grenzwerten und besseren Technologien zur Reduktion des Schadstoffausstoßes deutlich reduzieren. Die Toten der Kohlekraftwerke erscheinen jedoch vor dem Hintergrund der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima schon fast vernachlässigbar. Eine Reduktion der Strahlung ist bei der Atomenergie nicht möglich. Das Risiko einer Kernschmelze lässt sich nicht verringern. So schlimm der Super-GAU in Fukushima war, es hätte noch viel schlimmer kommen können. Und es ist noch nicht vorbei. Es könnte in den beschädigten Reaktoren 2 und 3 zu einer weiteren Freisetzung von Radionukliden kommen. Wenn das Reaktorgelände wegen der Strahlung nicht mehr betreten werden könnte, ließe sich auch die Kühlung von 6000 Brennelementen nicht mehr aufrechterhalten. Das könnte die Evakuierung der nördlichen Hemisphäre bedeuten. Das Schlimmste steht uns vielleicht erst bevor. Die Risiken, die wir mit der Atomenergie eingehen, sind zu hoch. Atomkraftwerke gehören deshalb verboten.«
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