Deutscher BUND schaut der Nagra über die Schultern

Die Oberflächenanlage des Tiefenlagers soll in der Gemeinde Stadel entstehen. (Bild: Nagra) Die Oberflächenanlage des Tiefenlagers soll in der Gemeinde Stadel entstehen. (Bild: Nagra)

 

Die Standortwahl für ein Tiefenlager in der Schweiz wirft auf der anderen Seite der deutschen Grenze Fragen auf. Die deutsche Regierung und nicht-staatliche Organisationen klären die betroffene Bevölkerung über das Jahrhundertprojekt auf.

 

Im September haben die Nagra und das Bundesamt für Energie (BFE) das nahe der deutschen Grenze gelegene Nördlich Lägern als Standort für das Tiefenlager vorgeschlagen. Nicht nur die die Schweizer Gruppe «Nördlich Lägern ohne Tiefenlager», kurz LoTi, kritisiert den Entscheid. Die Gemeinde Hohentengen in Baden-Württemberg ist ebenfalls betroffen. Anwohner sind unter anderem besorgt über die Trinkwasserversorgung im Falle, dass radioaktive Strahlung austreten sollte. Das baden-württembergische Umwelt- und Energieministerium zeigte bereits im Vorfeld Verständnis, falls der sicherste Standort nahe der Grenze liege.

 

Unsicherheit besteht dennoch, weil der ausgewählte Standort im Jahr 2015 aus der näheren Auswahl aussortiert wurde. Nördlich Lägern wurde nach weiteren Untersuchungen wieder aufgenommen, da sich der Opalinuston vor Ort besser eignet als ursprünglich angenommen. «Die Geologie hat gesprochen», sagte Nagra-Chef Mathias Braun an einer Presskonferenz. Die Nagra informiert auf ihrer Website und sozialen Kanälen über den Entscheid. Zudem war sie an Informationsanlässen in deutschen Gemeinden vertreten.

 

Im Grenzgebiet wird die Forderung nach Abgeltungszahlungen, wie sie für in der Schweiz betroffene Gemeinden geplant sind, laut. Die deutsche Koordinationsstelle Schweizer Tiefenlager (DKST) verlangt eine Beteiligung. Abgeltungen werden freiwillig an Standortregionen gezahlt, die einen Beitrag zur Lösung einer nationalen Aufgabe leisten. Die Verhandlungen mit den Betreiberunternehmen der Schweizer Atomkraftwerke werden frühestens nach der Einreichung des Rahmenbewilligungsversuchs im Jahr 2024 starten.

 

Von deutscher Seite wird der Prozess vom Bundesministerium für nukleare Sicherheit (BMUV) und vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) begleitet. Das BMUV hat bereits 2006 die Expertengruppe Schweizer Tiefenlager (ESchT) gegründet, die die Standortsuche fachlich begleitet. Christian Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium sagte in einer Pressemitteilung: "Ich setze mich bei der Schweiz dafür ein, dass die bisherige gute Einbindung der deutschen Nachbarn fortgesetzt wird". Das BASE ist für die grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung zuständig und unterstützt das BMUV mit seiner Fach- und Beteiligungsexpertise.

 

Auch Deutsche sollen berücksichtigt werden

Der Prozess um das Tiefenlager wird nicht nur staatlich begleitet. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verfolgt das Jahrhundertprojekt aus nächster Nähe. Der Verband arbeitet mit mehreren grenzüberschreitenden Gremien zusammen und ist in Bürgerinitiativen wie LoTi vertreten. Der BUND ist Teil dreier Begleitkommissionen und war bei der Auswahl der Suchkriterien der Standorte involviert. Man stehe laut Ulrich Faigle, Leiter der Regionalgeschäftsstelle Hochrhein, in engem Kontakt zu anderen atomlager-kritischen Organisationen sowie zur Nagra. Ziel des BUND sei es, den Prozess als Kontrollinstanz kritisch zu hinterfragen und Transparenz zu schaffen.

 

Nicht nur das Tiefenlager selbst stelle aber eine Gefahr da. «Es besteht auch Gefahr beim Abklingen, Umverpacken oder beim Transport», sagt Faigle. So seien noch keine Informationen über einen sicheren Transport vom Zwischenlager in Würenlingen nach Nördlich Lägern bekannt, ergänzt er. Deshalb fordert der BUND einen Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland, der die Beteiligung, Transparenz sowie Gefahren und Risiken regelt. Das umfasst die grenzüberschreitende Kommunikation in Krisenfällen, wie sie auch bei Chemiebränden geregelt ist. «Auch Deutsche mit ihren Sorgen, Ängsten und ihrer Kritik sollen berücksichtigt werden», fügt Faigle an. Der Verband fordert zudem die baldige Abschaltung der Schweizer Atomkraftwerke und die Förderung alternativer Energiequellen.

 

BUND setzt auf Offenheit der Schweiz

Faigle selbst ist ein Gegner der Atomkraft, sieht unsere Generationen und Nachfolgegenerationen aber vor vollendete Tatsachen gestellt. Als die Suche nach einem Standort 1972 begann und 2008 neu angesetzt wurde, sei klar gewesen, dass das Tiefenlager nahe der Grenze liegen werde. Deshalb sei eine gewisse Akzeptanz da. «Wir wollen die sicherste Möglichkeit eines Endlagers mit dem geringsten Risiko. Nach momentanem Wissensstand ist das die beste Lösung. Man muss einfach verantwortungsvoll damit umgehen», so der Leiter der BUND-Geschäftsstelle Hochrhein.

 

Die anderen Standorte, die zur Auswahl standen, sind auf Stand-by gesetzt. Im Falle eines erneuten Ausschlusses von Nördlich Lägern könnten sie wieder herangezogen werden. Der BUND zeigt sich erfreut über diese Offenheit und hofft, dass alle involvierten Parteien, sollte sich in Zukunft eine sicherere Variante ergeben, auf diese setzen. Trotzdem findet Faigle: «Nach dem Neustart und der Wahl von Nördlich Lägern sehen wir uns auf einem guten Weg».

 

Anders sehe es in Deutschland aus. Die Schweiz ist weiter in den Prozessen und Entscheiden als der Nachbar. So stehe noch nicht einmal der Untergrund fest, der für die deutschen Tiefenlager genutzt werden soll. «Es gibt noch viel weisse Flächen, die erst jetzt untersucht werden», meint Faigle. Laut ihm werde Deutschland bestimmt genau auf den Schweizer Prozess achten. 2024 reicht die Nagra ein Rahmenbewilligungsgesuch für das Tiefenlager ein. Fünf Jahre später wird der Bundesrat darüber entscheiden und ein Jahr darauf das Parlament. Da das Projekt dem fakultativen Referendum untersteht, hat das Schweizer Volk das letzte Wort. Eine Inbetriebnahme ist laut der Nagra frühestens im Jahr 2045 möglich.

aus aller Welt

Katanga Business

  • Mit seinem Film „Katanga Business“ von 2009 vermittelt der belgische Regisseur Thierry Michel nicht nur einen Einblick in die gegenwärtige Situation der Rohstoffförderung in Katanga, sondern verdeutlicht auch die eigentlichen Aufgaben eines Dokumentarfilmers – Dokumentieren statt Kommentieren.

Mensch + Energie

Vor dem Hintergrund der aktuellen „Energiewende“-Debatten möchten wir einen kritischen Diskussionsbeitrag leisten für all jene, die mehr wissen wollen zum Thema Energie. Und wir möchten einen Beitrag leisten, die tiefen ideologischen Gräben zu überwinden, die Befürworter und Gegner trennen. Denn die Wahrheit wird bei diesem Thema sehr schnell relativ bzw. relativiert, man bewegt sich auf einem Feld, in dem sich Experten, Meinungsmacherinnern, Ideologen, Betroffene, Opfer, Lobbyisten, Politikerinnen und Weltenretter tummeln. Sie alle sollen zu Wort kommen, sie sollen von ihrer Wahrheit erzählen, der Wahrheit des Strahlenopfers ebenso wie jener des Kraftwerkbetreibers, des Befürworters und der Gegnerin.

Aus mensch-und-atom.org wird mensch-und-energie.org

 

header neumenschundatom2 

 

 

Eine Initiative des 

Logo neu2

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.