Niederlande beschränken Flugverkehr

Ab November 2023 starten und landen auf dem Flughafen Schiphol jährlich 100'000 Flugzeuge weniger. (Bild: kruwt) Ab November 2023 starten und landen auf dem Flughafen Schiphol jährlich 100'000 Flugzeuge weniger. (Bild: kruwt)

 

Die niederländische Regierung beschränkt die Zahl der Flugbewegungen am drittgrössten Flughafen Europas, Amsterdam-Schiphol, auf 440'000 pro Jahr. Das entspricht etwa dem Niveau von vor zehn Jahren. Klimaschützer hoffen, dass andere Staaten nachziehen. Es wäre dringend nötig. Denn von der bis 2050 angepeilten Klimaneutralität ist die Fliegerei meilenweit entfernt. Die ersten Reaktionen deuten nicht darauf hin.

 

Knapp eine halbe Million Flugbewegungen verzeichnete der Amsterdamer Flughafen Schiphol im Jahr 2019. Dann kam die Covid 19 – Pandemie und der Zusammenbruch des Flugverkehrs. 2020 und 2021 halbierten sich die Flugbewegungen beinahe, die Zahl der Flugpassagiere ging gar um zwei Drittel auf 25,5 Millionen im vergangenen Jahr zurück. In diesem Jahr ist der Flughafen wieder auf Kurs. Bis Ende Mai wurden schon 280'000 Flugbewegungen verzeichnet, ein neuer Rekord, gar das erlaubte Maximum von 540'000 Starts oder Landungen, liegt in Reichweite. Doch nun schiebt die niederländische Regierung den aufkeimenden Hoffnungen, das nahezu ungebremste Wachstum der Vorkrisenjahre gehe nun ebenso ungebremst weiter, einen gehörigen Riegel. Schon ab November 2023 soll die Zahl der erlaubten Flugbewegungen um 100'000 auf 440'000 gesenkt werden. «Die Regierung sucht die Balance zwischen der grossen Bedeutung eines internationalen Flughafens für die Wirtschaft und dem Interesse an einer besseren, gesunderen und lebenswerteren Umwelt», heisst es in der Begründung. Nun habe man entschieden, sich an der Lärmbelastung der Anwohnerinnen und Anwohner zu orientieren und diese so zu begrenzen, dass maximal noch 440'000 Flugbewegungen möglich seien. Ihm gehe es um Planungssicherheit für alle Beteiligten, erklärt Verkehrsminister Mark Habers in einem Pressestatement. «Unsere Entscheidung legt das Fundament für ein neues Gleichgewicht.» Das seien «schwierige Neuigkeiten» für die Flugbranche, dessen sei er sich bewusst. Man werde sich nun zusammen mit der betroffenen Bevölkerung und den Luftfahrtunternehmen an die Detailarbeit machen.

Der Entscheid der niederländischen Regierung mag überraschen. Doch tatsächlich liegt er auf der Linie einer neuen Verkehrspolitik, die, nach einem Urteil des höchsten Gerichtes zur Begrenzung der Stickoxid-Emissionen, die nun nicht mehr weiter steigen dürfen, als Sofortmassnahme zur Schlachtung einer der heiligen Kühe im Privatverkehr führte: Tempo 100 statt 130 tagsüber auf den Autobahnen. So argumentiert der Verkehrsminister auch mit einer «signifikanten» Senkung der Stickoxid-Emissionen. Das, entgegnet die internationale Luftfahrtorganisation IATA, sei buchstäblich aus der Luft gegriffen, trügen die Flugzeuge doch nur gerade zu einem Prozent zu diesen Emissionen in den Niederlanden bei. Damit unterschätzt diese allerdings die Dimension des Gerichtsurteils, das nämlich ausdrücklich NOx-Kompensationen, wie sie zuvor erlaubt gewesen waren, verbietet. Damit muss der Stickoxid-Ausstoss nicht nur begrenzt, sondern reduziert werden, um andernorts wieder entsprechende Emissionen zuzulassen. Der Flughafen Schiphol, so die IATA weiter, sei als internationaler Hub die Nummer drei in Europa (nach London und Paris), sorge für 300'000 Arbeitsplätze und einen Umsatz von 22 Milliarden Euro. Die Regierung selbst hat allerdings bereits indirekt Abhilfe versprochen. So soll der Flughafen Lelystad im Süden Amsterdams, dessen schon beschlossener und teilweise umgesetzter Ausbau wegen der Stickoxid-Emissionen zusammen mit Tausenden anderen Projekten blockiert war, schon im Sommer 2024 für Ferienflüge geöffnet werden, was etwa die Hälfte der in Schiphol gestrichenen Flugbewegungen kompensieren könnte.

Unter dem Strich dürfte es ein überschaubarer Beitrag zum Klimaschutz bleiben. Dabei haben sich die Airlines selber verpflichtet, bis 2050 CO2-neutral zu fliegen. Das gilt auch für die AirfranceKLM Gruppe. Die Fortschritte nehmen sich allerdings höchst bescheiden aus. So mischt KLM allen Flügen, die von Amsterdam aus starten, 0,5 Prozent synthetische Treibstoffe bei und verlangt dafür 1 bis 12 Euro pro Ticket extra. Das illustriert das Problem: Es gibt viel zu wenig alternative, klimaneutrale Treibstoffe, und sie sind viel zu teuer.

Umweltschützerinnen und Umweltschützer begrüssen den Entscheid derweil als klares Signal, dass die Dämpfung der Nachfrage nötig sei, um die Klimaziele zu erreichen. Leo Murray, Direktor der Nicht-Regierungs-Organisation «Possible» meint, dass angesichts der enormen Herausforderung, die Klimagas-Emissionen des Flugverkehrs bis 2050 auf Null zu bringen, dieser zumindest vorübergehend reduziert werden müssten. Greenpeace spricht gar von einem «historischen Durchbruch». Dewi Zloch, bei Greenpeace Niederlande zuständig für die Luftfahrt, denkt bereits weiter: Das könne nur der Anfang sein. «Der Flughafen Schiphol muss einen Plan vorlegen, wie er die Klimaziele zu erreichen gedenkt». Die IAEA verlangt hingegen, dass die Regierung den Entscheid überdenkt und stattdessen einen «durchdachten Weg einschlägt», um der Luftfahrt ein nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen. Der Fokus müsse sich dabei auf nachhaltige Treibstoffe richten, die Airlines müssten vom Staat auf dem Weg zur klimaneutralen Fliegerei bis 2050 unterstützt werden, so IATA-Direktor Willie Walsh.

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