In Vietnam fristete die Solarenergie bis vor wenigen Jahren ein Schattendasein. Doch 2018 gab die Regierung Vollgas. Binnen von nur vier Jahren sind Solarkraftwerke mit einer gesamten Kapazität von knapp 17 Gigawatt gebaut worden und haben das Land in die Top Ten der weltgrössen Solarstomproduzenten gehievt. Die Schweiz schaffte im selben Zeitraum gerade mal knapp 2,5 Gigawatt. Noch betrüblicher sieht diese Schweizer Bilanz aus, wenn man die gesamte Entwicklung der erneuerbaren Energien in den vergangenen zehn Jahren betrachtet. Zu den damals installierten 14 Gigawatt kamen bis 2021 knapp fünf dazu. Die grössenmässig vergleichbaren Niederlande schafften im selben Zeitraum eine Versechsfachung und haben die Schweiz inzwischen deutlich hinter sich gelassen.
Vietnam hat mit der beeindruckenden Solaroffensive dennoch kaum mehr als einen ersten Schritt hin zur Klimaneutralität bis 2050 geschafft. Die Abhängigkeit insbesondere von der Kohle ist nach wie vor gross. Inzwischen folgt die Regierung einer Empfehlung der Weltbank und schraubt die Windenergieinvestitionen hoch, während der solare Ausbau um etwa einen Viertel gedrosselt wird. Die Zuversicht, es zu schaffen, ist gross. In der Schweiz ringen die politischen Kräfte derweil nach wie vor um einen beschleunigten Energiewendekurs, der im bisherigen Tempo direkt in die Klimakatastrophe führen könnte. Dabei ist die Schweiz ein finanzstarkes Industrieland, Vietnam klopft an die Schwelle eines Schwellenlandes – und beweist, was mit beschränkten Mitteln und geeigneten Fördermassnahmen möglich ist.
In den letzten Jahren hat der Ausbau der erneuerbaren Energien zur Stromgewinnung weltweit gewaltig Fahrt aufgenommen. Noch im Jahr 2022 lagen die erneuerbaren hinsichtlich der neu gebauten Kapazitäten hinter den fossilen Energien. Danach zogen sie, mit Ausnahme des Jahres 2013, als zum letzten Mal knapp mehr fossile Kraftwerke gebaut wurden, davon, seit 2018, ähnlich wie in Vietnam, mit nochmals deutlich beschleunigtem Tempo. Alleine 2021 sind 9,2 Prozent, 258 Gigawatt, dazugekommen. 88 Prozent flossen in Wind- und Solarkraft, denen nun eindeutig die grosse Zukunft gehört. Beide nähern sich der Wasserkraft an, die 40 Prozent des erneuerbaren Stromes produziert. Sonne liegt bei 28, Wind bei 27, die übrigen erreichen zusammen fünf Prozent.
Und doch ist eines ganz klar: Das darf erst der Anfang sein. Nach einem Bericht der Energiedenkfabrik EMBER haben Wind und Sonne ihren Anteil an der Stromproduktion 2021 auf zehn Prozent gesteigert, alle erneuerbaren Energien zusammen erreichen 38 Prozent. Damit wurde die Kohle übertroffen, die 36 Prozent erreichte. Doch die gesteigerte Nachfrage – 2021 stieg der Stromverbrauch um 1414 Terrawattstunden, was etwa dem Verbrauch von Indien entspricht - konnte damit nicht befriedigt werden, so dass es auch zu einem Rekordverbrauch an Kohle und einem Rekordausstoss an Klimagasen durch die Stromproduktion kam. Im Prinzip, so EMBER, ist der Ausbau von Wind und Sonne auf Kurs. Gelingt es, weltweit das Tempo des vergangenen Jahrzehntes bis 2030 zu halten, könnte die Welt auf Kurs des 1,5 Grad – Zieles bleiben, zumal beide Technologien inzwischen so ausgereift sind, dass sie sehr rasch, wie das Beispiel Vietnam zeigt, und zu den günstigsten Preisen ausgebaut werden können. So sind die Ausbauziele, wie sie etwa Deutschland und Kanada sich mit einem kompletten Ausstieg aus der fossilen Stromproduktion bis 2035 gesetzt haben, zu schaffen. Das müssten aber nicht nur die noch an einer Hand abzuzählenden Pioniere tun, sondern insbesondere jene Staaten, deren Stromproduktion nach wie vor überwiegend auf Kohle gebaut ist. Es wird noch lange keinerlei Grund geben, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen.