Griechenland ist gesegnet mit Sonne und Wind. Auf der Insel Kreta lassen sich nach Angaben der Europäischen Kommission aus Solarzellen mit einem Kilowatt Leistung bis zu 1500 Kilowattstunden Strom pro Jahr produzieren. Das entspricht etwa einem Drittel des Strombedarfs einer vierköpfigen Familie. Beim Wind sieht es ähnlich gut aus, vor allem auf den rund 6000 Inseln, von denen die allermeisten unbewohnt sind. Der Ausbau kam in den vergangenen Jahren nur schleppend voran und konzentrierte sich überwiegend aufs Festland, namentlich der Peloponnes und Thrakien an der türkischen Grenze. Aktuell hängt die griechische Stromproduktion zu zwei Dritteln am Tropf von Kohle, Öl und Gas. Immerhin: Vor 30 Jahren waren es noch über 90 Prozent gewesen. Damit ist Griechenland ungefähr im Fahrplan, wie ihn die Europäische Union für seine Mitgliedsstaaten vorgibt. Dennoch muss Griechenland nun kräftig aufs Gaspedal drücken, um die neuen Klimaziele zu erreichen: ein Minus von 55 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990. Und das hat die Regierung auch vor: mit dem neuen Energie und Klima – Plan, der bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von 29,2 auf 61 Prozent erhöhen will. Beim Verkehr soll der Stromanteil von 6,6 auf 19 Prozent ansteigen, bei Heizungen und Klimaanlagen auf 42,5, und der Anteil erneuerbare Energien am gesamten Energieverbrauch von 18 auf 35 Prozent. Damit läge Griechenland leicht über dem EU-Ziel von 32 Prozent. Schon 2028 soll das letzte der derzeit 14 Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Als Fernziel sieht Griechenland im Einklang mit der EU für das Jahr 2050 die Klimaneutralität vor. Mit der aktuellen Politik wird dieses Ziel aber trotz aller Ambitionen nicht zu schaffen sein.
Um die Ausbauziele für 2030 zu erreichen, kommen praktisch nur Sonne und Wind in Frage. Das Wasserkraftpotenzial ist bis auf einen marginalen Anteil an Kleinwasserkraftwerken (100 Megawatt) ausgeschöpft. Die griechische Regierung rechnet mit einem Zubau der Photovoltaik-Anlagen von aktuell 2,78 Gigawatt auf 7,66 Gigawatt 2030. Beim Wind sind die Ziele etwas weniger ambitioniert: von 3,28 Gigawatt auf 7,05 Gigawatt. Um beim Wind zu bleiben: Für die prognostizierten knapp vier Gigawatt müssen, bei einer angenommenen Leistung von 8 Megawatt, bis zu 500 Windkraftanlagen gebaut werden. Zusammengenommen muss pro Jahr ein Gigawatt an erneuerbare Kapazität zugebaut werden. 43 Milliarden Euro wird dieser massive Ausbau kosten. Die Regierung verspricht ein Wachstum des Bruttoinlandproduktes von 12 Milliarden Euro.
Wenn es schnell gehen muss, gilt es, auch die bürokratischen Hürden abzubauen. Tatsächlich werden die Genehmigungsverfahren deutlich verkürzt (versprochen werden die Genehmigungen binnen von 150 Tagen, was früher bis zu acht Jahre dauerte), die Projekte international ausgeschrieben. Alleine für das Jahr 2020 sind Projekte mit einer Kapazität von 2,6 Gigawatt in der Pipeline. Das lockt primär die grossen Anlagenbauer an, die vor allem in der Ägais grosse Pläne haben.
Doch es regt sich Widerstand. Mehrere Dutzend Nicht-Regierungs-Organisationen beklagen den weitgehend unkontrollierten Ausbau der Projekte mit «pharaonischen Ausmassen», der auch vor Naturschutzgebieten nicht Halt mache, während die Regierung betont, die EU-Regeln würden eingehalten. Der deutsche Fernsehsender ARD dokumentiert einen Fall auf der Kykladen-Insel Levitha, wo eine grosse Windfarm gebaut werden soll. Diese sei angeblich unbewohnt, doch die Familie, die seit Generationen dort lebt, wird schlicht übergangen. Kein Einzelfall, sagen die Aktivistinnen und Aktivisten verschiedener Bürgerbewegungen und Umweltorganisationen, und zeigen damit, wie heikel die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist, und wie schwer es ist, die überaus ambitionierten Ziele für einen radikalen Umbau der Energieversorgung zu schaffen, ohne die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten vor den Kopf zu stossen. Die Zeit drängt, doch über die Köpfe der Bevölkerung zu agieren, ist mehr als zweifelhaft. Dazu kommt, dass Griechenland auch auf Öl und Gas aus den Tiefen der Ägäis setzt. So sind Konzessionen auf fast drei Viertel der griechischen Meeresflächen vergeben, ein wesentlicher Teil daovn in ökologisch besonders empfindlichen Flächen.