"European Climate Leadership Report 2017": Von Äpfeln und Birnen

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Mit dem «European Climate Leadership Report 2017» verfolgt die in Zürich domizilierte «Energy for Humanity» vor allem ein Ziel: eine Lanze für die Atomenergie zu brechen. Die Argumente sind dürftig.

Gibt es den Königsweg auf dem Weg zu einem schnellen Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl? Ja, meinen die Autoren des «European Leadership Report 2017» und blicken dabei zurück in die 1970er-Jahre, als Frankreich sich anschickte, seine Elektrizitätsversorgung zu drei Viertel durch Atomkraftwerke zu sichern. Von einer «Dekarbonisierung» der Energieversorgung sprach damals allerdings noch kein Mensch. Es sei um «Energiesicherheit» gegangen, heisst es im Bericht, den Franzosen sei es unbeabsichtigt gelungen, die Freisetzung von klimaschädlichen Abgasen zu verhindern. Dass dabei auch noch ganz andere Faktoren eine wesentliche Rolle spielten, namentlich der Transfer der bislang nur für militärische Zwecke genutzten Atomenergie in eine zivile Nutzung, bleibt unerwähnt, ebenso wie bis heute ungelöste Fragen etwa nach der Endlagerung der radioaktiven Abfälle – und, gerade in Frankreich, der mehr als nur unsicheren wirtschaftlichen Zukunft der grossen, staatsnahen Monopol-Unternehmen auf dem französischen Strommarkt. Stattdessen wird die Nutzung der Atomenergie als schnellster Weg gepriesen, die CO2-Emissionen rasch zu senken.

Halbe Wahrheiten
Das ist natürlich nicht falsch, vor allem, wenn man den Vergleich mit Windrädern oder Solarzellen macht, von denen es wesentlich grössere Kapazitäten braucht, um die Produktionsmengen eines Atomkraftwerks zu erreichen. Doch schaut man etwas genauer hin, dann zeigt sich, dass beispielsweise Dänemark in den Jahren 2004 bis 2014 mit Solar- und vor allem Windkraftwerken in etwa dieselbe Menge an Kilowattstunden pro Kopf geschafft wie Deutschland mit Atomkraftwerken in den Jahren 1975 bis 1985. Und auch Deutschland schneidet mit seinem Zubau an Solar- und Windanlagen gar nicht so schlecht ab. Und so kommt es, dass Frankreich und Grossbritannien zu «Climate Leaders» werden, weil sie es schafften, drei Elemente zu kombinieren: eine CO2-arme Elektrizitätsversorgung, eine rasche Reduktion der Emissionen bei einem gleichzeitig anhaltend hohen Bruttosozialprodukt. Auch das ist nicht ganz falsch und wird in der Studie mit vergleichenden Zahlen belegt. Doch auch hier ist es nur die halbe Wahrheit. Die ganze kommt ans Tageslicht, wenn man zu den Daten etwa die Energiepolitik der in der Studie betrachteten europäischen Länder betrachtet. So hat der Abschied von der Kohle in Grossbritannien schon wesentlich früher begonnen als etwa in Deutschland, denn billiges Öl und Gas aus der Nordsee stand im Überfluss zur Verfügung. Andere Länder, die gut abschneiden, verfügen über beträchtliche Wasserkraftressourcen, die in der Schweiz gut 40 Prozent der Stromproduktion ausmachen.

Falsche Fakten
Besonders schlecht kommt Deutschland weg, das «ohne Not» und nur mit Blick auf einen Wahlsieg den Atomausstieg beschlossen habe und die Stromausfälle nun mit Kohlestrom kompensieren müsse. Tatsächlich ist die Atomenergie in Deutschland seit dem Super-Gau von Tschernobyl unbeliebt, und der von einer rot-grünen Koalition schon 2000 beschlossene Ausstieg war nie ernsthaft in Frage gestellt worden. Die CDU-FDP-Koalition rüttelte zwar daran, stellte diesen aber nicht grundsätzlich in Frage, sondern verlängerte nur die Laufzeiten, um nach dem Super-Gau von Fukushima wieder auf den rot-grünen Kurs einzuschwenken. Es war und ist eine bürgernahe Politik. Schlicht falsch ist schliesslich die Behauptung, die Kohle substituiere den nun nach und nach ausfallenden Atomstrom. Tatsächlich haben die erneuerbaren Energieträger Sonne und Wind die Atomenergie schon hinter sich gelassen. Und damit wird auf lange Sicht das Geschäftsmodell, Strom zu verkaufen, obsolet werden. Denn Solar- und Windstrom gibt es, wenn die Anlagen einmal gebaut sind, zum Nulltarif. Die in Deutschland heute vergleichsweise hohen Strompreise basieren auf einem 2010 eingeführten Umlageverfahren, das ausschliesslich Privathaushalte zusätzlich belastet. Die Grossen hat man dabei laufen lassen. Dennoch: die hohen Preise mit der damit verbundenen Ungerechtigkeit sind auch eine Investition in eine Zukunft mit ausschliesslich erneuerbarem Strom. Für die Stromerzeuger wird es dann darum gehen, sich neu zu erfinden und ihr Geschäftsmodell radikal neu zu denken. Und so zieht sich durch diesen Vergleich der Verdacht eines manipulativen Umgangs mit den Daten, mit dem Ziel, eine Bresche zu schlagen für die Atomenergie. Die Schlussfolgerung lässt keinen Zweifel daran. «Niemand sollte vom Tisch ausgeschlossen sein: Wind, Sonne, Atom, Wasser und andere müssen so stark und so schnell wie möglich ausgebaut werden».


Schöne Worte, klares Ziel
Energy for Humanity. Energie für die Menschheit. Wer wünscht sich das nicht. Doch darum geht es der in Zürich domilizierten Organisation www.energyforhumanitiy.org höchstens am Rande. Es ist zwar viel von der Energie der Zukunft der Rede und der «humanitären Herausforderung», die CO2-Emissioinen zu reduzieren, um katastrophale Folgen für das Klima zu verhindern, und gleichzeitig Milliarden Menschen Zugang zu Elektrizität zu ermöglichen, «um moderne Lebensstandards zu ermöglichen». Das sind wahrhaft hehre Ziele, wie sie etwa ein Al Gore wohl auch nicht wesentlich anders formulieren würde. Doch der Weg ist ja eigentlich das Ziel. Und auf diesem Weg werden sich für die Aktivisten von Energy for Humanity vor allem Atomkraftwerke finden. Darüber kann man durchaus diskutieren, und in Ländern wie China scheint es durchaus angebracht, zumindest befristet auf die Atomenergie zu setzen. Doch Energy for Humanity fährt auf der atomaren Einbahnstrasse. Das verwundert angesichts der drei Gründer kaum. Der Filmemacher Robert Stone, der in seinem Dokumentarfilm «Pandora’s Premise» fast ausschliesslich Umweltaktivisten auftreten lässt, die von Atomgegnern zu Atombefürwortern geworden sind, oder der als Philantroph bezeichnete Miliardär Daniel S. Aegerter, der zu den wichtigsten Investoren des us-amerikanischen Unternehmens Transatomic Power zählt, das mit neuen Atomreaktoren die Renaissance der Atomenergie vorantreibt.

 

Links:

www.energyforhumanity.org

Der Report zum Download

 

Siedewasserreaktor

  • Siedewasserreaktor

    Beim Siedewasserreaktor gibt es im Gegensatz zum Druckwasserreaktor keine zwei Wasserkreisläufe. Der Dampf wird vom Reaktordruckgefäß direkt zu den Turbinen geleitet. Der Dampf enthält deshalb Spuren kurzlebiger radioaktiver Stoffe, die aber nach wenigen Minuten abklingen.

Druckwasserreaktor

  • Druckwasserreaktor

    Der Druckwasserreaktor (in der Schweiz die Reaktoren in Beznau und Gösgen) besteht aus zwei Wasserkreisläufen. Die Erhitzung des primären Wasserkreislaufes geschieht im Reaktordruckbehälter, der sich im Reaktorgebäude befindet. Dort wird unter hohem Druck Wasser erhitzt, ohne dass es siedet. Das erhitzte Wasser wird zur Erhitzung eines zweiten Wasserkreislaufs verwendet, dessen Wasser verdampft. Der Dampf dient dem Antrieb von Turbinen. Die Turbinen für die Stromerzeugung befinden sich im Maschinenhaus. Über dem Kühlturm, dem Wahrzeichen eines Kernkraftwerkes, tritt die feuchte, warme Luft aus.

Mensch + Energie

Vor dem Hintergrund der aktuellen „Energiewende“-Debatten möchten wir einen kritischen Diskussionsbeitrag leisten für all jene, die mehr wissen wollen zum Thema Energie. Und wir möchten einen Beitrag leisten, die tiefen ideologischen Gräben zu überwinden, die Befürworter und Gegner trennen. Denn die Wahrheit wird bei diesem Thema sehr schnell relativ bzw. relativiert, man bewegt sich auf einem Feld, in dem sich Experten, Meinungsmacherinnern, Ideologen, Betroffene, Opfer, Lobbyisten, Politikerinnen und Weltenretter tummeln. Sie alle sollen zu Wort kommen, sie sollen von ihrer Wahrheit erzählen, der Wahrheit des Strahlenopfers ebenso wie jener des Kraftwerkbetreibers, des Befürworters und der Gegnerin.

Entwicklung der Kraftwerks-Generationen

  • Entwicklung der Kraftwerks-Generationen

    Die ersten kommerziellen Kernkraftwerke gingen zwischen 1956 und 1965 ans Netz. Sie zählen zu den Kernkraftwerken der ersten Generation. Ihre elektrische Leistung war noch meist unter 200 MW. Die in Europa geläufigen Kraftwerke entstammen der zweiten Generation und sind meist Druckwasserreaktoren. Die Mehrheit von ihnen wurde vor dem Reaktorunglück von Tschernobyl in Betrieb genommen. Die Generation 3 ist eine evolutionäre Weiterentwicklung der zweiten Generation. Die Weiterentwicklung betrifft vor allem die sogenannt passiven Sicherheitssysteme. So wurde der Boden unter dem Reaktordruckbehälter sowie das Reaktorgebäude deutlich verstärkt – wie dies in Olkiluoto in Finnland der Fall ist. Auf der gleichen Technik basieren auch die Kernkraftwerke der Generation 3+. Die Kernkraftwerke der 4. Generation werden noch entwickelt. Sie könnten Natrium (Salz) statt Wasser als Kühlmittel verwenden, eine Betriebstemperatur von 1000 Grad (statt 300 Grad) erreichen, und statt Uran könnten sie Thorium sowie Plutonium als Brennstoff nutzen. Die Konzepte liegen schon lange vor, eine Realisierung ist nicht in Sicht. Zur 4. Generation könnten aber auch kleine Modulreaktoren gehören, die in den USA im Gespräch sind. Bei Modulreaktoren besteht ein Kernkraftwerk nicht aus einem großen, sondern aus mehreren kleinen Reaktoren. Bei der Wartung, einer Inspektion oder dem Ausfall eines Reaktors liefern die anderen Reaktoren weiterhin Energie.

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