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Etappensieg für Nariwai-Sammelklage gegen Tepco und Japan

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Nariwai. «Gebt uns unsere Heimat und unsere Häuser zurück»: Unter diesem Titel hatten knapp 4'000 Menschen aus dem Bezirk Fukushima gegen Tepco und den japanischen Staat geklagt. Jetzt haben sie vor einem Bezirksgericht einen Etappensieg errungen.

Für Schäden im Wert von viereinhalb Millionen Euro als Folge des Super-Gaus vor sechs Jahren machte ein Bezirksgericht in Fukushima die Tokyo Electric Power (Tepco) und den japanischen Staat verantwortlich. Das entspricht zwar bei weitem nicht den Forderungen, die die Geschädigten gestellt hatten. Es geht neben den materiellen Schäden vor allem um monatliche Entschädigungsleistungen von knapp 400 Euro. Das entspricht der Hälfte der Zahlungen, die die Geschädigten in der Evakuierungszone erhalten. Dieses Geld soll solange ausbezahlt werden, als dass die Umgebungsstrahlung über dem natürlichen Wert liegt.

Sind alle Opfer - oder nur ein Teil?
Die Klägerinnen und Kläger kommen aus Gebieten in der Nähe von Fukushima, die weniger stark verstrahlt worden waren – bis maximal 20 Millisievert pro Jahr. Das entspricht etwa dem Zwanzigfachen der natürlichen Hintergrundstrahlung. Eine Evakuierung war nicht vorgesehen gewesen. Der japanische Staat weigerte sich auch, die Menschen finanziell zu entschädigen. 32'000 Personen flüchteten deshalb aus freien Stücken. Sie hatten bis im März 2017 von der Präfektur Fukushima Zuschüsse für ihre Unterbringung erhalten. Viele von ihnen brachte die Einstellung dieser Zahlungen an den Rand ihrer Existenz. Nun drängt sie der Staat zur Rückkehr. Nur die wenigsten haben dieser Aufforderung Folge geleistet. Vor Gericht hatten die Vertreter des japanischen Staates und von Tepco argumentiert, die Kläger hätten kein Klagerecht, weil die gesundheitlichen Risiken durch eine Strahlung unterhalb von 20 Millisievert vernachlässigbar gering seien. Zudem sei es mit statistischen Methoden gar nicht möglich, einen Zusammenhang zwischen dem nuklearen Unfall und den gesundheitlichen Risiken herzustellen. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht kaum mehr als ein  Ablenkungsmanöver. Tatsächlich entsprechen die 20 Millisievert pro Jahr dem Wert, den die internationale Strahlenschutzkommission als Maximum einer beruflichen Exposition empfiehlt. Dazu gilt eine Lebensdosis von 400 Millisievert, die in 20 Jahren erreicht sein würde.

Im Kern geht es aber um zwei nicht geklärte Grundsatzfragen. Können der japanische Staat und die Betreiberfirma Tepco haftbar gemacht werden? Das jüngste Urteil dazu ist bereits das dritte, in dem ein japanische Gericht diese Frage grundsätzlich bejaht. Und dann geht es darum zu klären, ob diese Schadenersatzpflicht für alle Betroffenen gilt, unabhängig davon, ob sie evakuiert worden sind, aus freien Stücken geflüchtet oder vor Ort ausgeharrt haben. Diese Fragen sind rechtlich noch nicht letztgültig geklärt. Es ist davon auszugehen, dass das Urteil weitergezogen wird.


https://af.reuters.com/article/worldNews/idAFKBN1CF0DW