Hiromichi Umebayashi: "Der Weltfriede ist in Gefahr"

geschrieben von  Manuela Ziegler

Der Feststoff-Physiker Hiromichi Umebayashi kündigte 1980 seine Professorenstelle in Tokio. Seither engagiert er sich für ein atomwaffenfreies Nordostasien. Jetzt erhält er für seine Verdienste den Nuclear-Free Future - Award. Im Interview plädiert er für ein schrittweises Vorgehen und multilaterale Gespräche, um dem Ziel näherzukommen.

Hiromichi Umebayashi, Sie haben 1980 ihre Lehrtätigkeit am Metropolitan Technical College in Tokio aufgegeben und engagieren sich seither gegen die Stationierung von Atomwaffen in Japan, Nord- und Südkorea. War es nicht möglich, die Lehrtätigkeit fortzusetzen und als Friedensaktivist tätig zu sein?

Es wäre möglich gewesen, aber ich hätte beide Arbeiten nur halb machen können. Zu dieser Zeit engagierte ich mich im entschiedenen Widerstand gegen die Aktivitäten des US-Militärs auf und ausgehend von US-Stützpunkten in Japan, und damit auch gegen die japanische Regierung, welche diese unterstützten.

Warum gaben Sie damals ein sicheres Auskommen auf?

In den Sechziger und Siebziger Jahren in Japan war ich kritisch geworden gegenüber einer wissenschaftlichen Existenz, die auf Sicherheit abzielte, aber nicht mit sozialen und politischen Themen in Einklang zu bringen war, insbesondere in den Bereichen Naturwissenschaft und Technik. Ich beschloss also, ein grundlegend neues Leben als Forscher einzuschlagen.

Wie veränderte ihr Kampf gegen Atomwaffen ihren privaten Lebensweg?

Es tut mir leid, ich verstehe ihre Frage nicht. Möchten Sie wissen, wie sich mein Privatleben als Freiberufler veränderte? Natürlich wurde mein Lebensunterhalt komplizierte, aber so schlimm war es nicht. Mein Handlungsspielraum erweiterte sich und ich hatte mehr Zeit, um nach Übersee zu reisen, und asiatische Ländern besser kennen zu lernen, wie auch andere Aktivisten aus der ganzen Welt.

Sie waren Initiator der Sechs-Parteien-Gespräche zwischen Japan, China, Nord- und Südkorea, Russland und den USA. 2005 stieg Nordkorea aus den Verhandlungen aus. 2012 und 2014 sind Wiederaufnahmen der Verhandlungen gescheitert. Was ist der status quo?

Es ist nicht korrekt, dass ich die Sechs-Parteien-Gespräche initierte. Ich schlug sie erstmals 1996 vor. Seither werde ich nicht müde, die so genannten „Drei Plus Drei“ als realistische Möglichkeit ins Spiel zu bringen, um die nukleare Konfrontation in Nordostasien zu verhindern. Mein Arrangement bezog Japan, Nord- und Südkorea als Nicht-Atomwaffen-Staaten ein,  wie auch die Atommächste China, Russland und die USA. Ziel war es, die atomwaffenfreie Zone Nordostasien (NEA-NWFZ) zu gestalten. Diese sechs Länder wurden später Mitglieder der Sechs-Parteien-Gespräche, die 2003 begannen. 2008 rissen die Verhandlungen ab. Die internationale Gemeinschaft hat viele Male bei massgeblichen Anlässen zur Wiederaufnahme dieser Gespräche aufgerufen. Erst kürzlich schlug der UN-Generalsekretär Antonio Guterres den Mitgliedstaaten vor, die Sechs-Parteien-Gespräche wieder aufzunehmen, um die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel aufzulösen.

In den letzten 37 Jahren haben Sie sich für die Abschaffung von Atomwaffen eingesetzt. Was waren wichtige Ereignisse für Sie?

Meine Aktivitäten richteten sich nicht ausschließlich gegen Atomwaffen, sondern auch für die Errichtung nicht - militärischer Systeme zur Schaffung von Frieden und Sicherheit. Im Ganzen gab es etliche Meilensteine. Begrenzt auf die nuklearen Themen, denke ich, zählen dazu der Rückzug aller taktischen Atomwaffen von den US-Kriegsschiffen 1991, das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes bezüglich der Bedrohung durch oder Anwendung von Atomwaffen 1996, wonach eine völkerrechtliche Verpflichtung zu Verhandlungen über eine nukleare Abrüstung unter internationaler Kontrolle besteht. Weiter nenne ich die abschliessende Erklärung des Vertrags zum Verbot von Atomtests 1996, und ein Entwurf zum NEA-NWFZ-Abkommen, erstellt von wichtigen japanischen Parlamentarier-Gruppen 2008, und die jüngsten Beschlüsse zum Atomwaffenverbotsvertrag 2017.

Sie werden häufig als Brückenbauer bezeichnet, der im Hintergrund agiert und zwischen Politik und Gesellschaft vermittelt. Wie machen Sie das?

Ich nehme das selbst nicht so wahr. Es könnte mit zwei Dingen zusammen hängen: Als ausgebildeter Wissenschaftler prüfe ich sehr sorgfältig die Informationen aufgrund derer ich spreche und handle. Auch dass ich lange Zeit als Freiberufler mit einem breiten Fachgebiet für Nichtregierungsorganisationen in Forschung und Bildung tätig war, mag mir das Vertrauen von Politikern und Gesellschaftsführern einbringen.

Japan ist bereit, Atomtechnologie nach Indien zu exportieren, einem der Staaten, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben. Wie stehen Sie zu dieser Politik?

Es war ein ernsthafter Fehler. Die japanische Politik widerspricht sich selbst mehr und mehr, wenn das Land versucht, stärkere Sanktionen gegen das Atomwaffenprogramm Nordkoreas vorzunehmen. Denn tatsächlich will Nordkorea einen ähnlichen internationalen Status wie Indien erreichen.

Was denken Sie über das jüngste UN-Atomwaffenverbot?

Meine Organisation Peace Depot befürwortete einen Rahmenvertrag, statt eines einfachen Verbotsvertrags. Wir dachten, es könnte für die Atommächte, wie auch die von Atomkraft abhängigen Staaten wie Japan den Weg frei machen, hin zur vollständigen Abschaffung, und gleichzeitig wollten wir auch das Verbot von Atomwaffen mithilfe eines Vertrages sicher stellen. Aber nun, da der Verbotsvertrag beschlossen wurde, werben wir aktiv, so dass er so bald als möglich in Kraft treten kann.
Der Vertrag wird nützlich sein, um Japan davon zu überzeugen, dass ein atomwaffenfreies Nordostasien der vernünftigste Weg ist, um eine politische Kehrtwende einzuleiten.  Diese braucht es, damit das Land dem Verbotsvertrag beitreten kann.

Momentan herrscht Säbelrasseln zwischen Nordkorea und den USA. Der Weltfriede scheint wieder mal sehr fragil. Wie schätzen Sie die Bedrohung ein?

Ja, der Weltfriede ist in Gefahr. Es ist nur zu offensichtlich, dass jede militärische Intervention zu einer Katastrophe führen könnte, mit einem möglichen Atomkrieg. Es ist höchste Zeit für alle Parteien, sich zu beruhigen, um über eine schrittweise und umfassende Einigung in den Auseinandersetzungen der Region zu sprechen. Ich denke, eine atomwaffenfreie Zone Nordostasien könnte eine realistische Lösung sein.


Preisverleihung:

Die Preisverleihung des Nuclear-Free Future Award findet am 15. September in Basel statt, im Rahmen des internationalen Kongresses „Human Rights, Future Generations and Crimes in the Nuclear Age“ im Kollegienhaus der Universität Basel.

Links:


http://www.nuclear-free-future.com/home/news/310-preistraeger-2017/

https://www.events-swiss-ippnw.org/

Die Schweizer Bombe

  • Vor 70 Jahren hatte der damalige Ständerat und spätere Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen die Ächtung der Atomwaffen verlangt, deren Nutzung für friedliche Zwecke aber befürwortet. Im Geheimen hatte die Schweizer Regierung aber schon kurz nach Kriegsende die «Schaffung einer schweizerischen Uran-Bombe» vorangetrieben – die «Studienkommission für Atomenergie» unter Vorsitz des Kernphysikers Paul Scherrer fasste den entsprechenden Auftrag, von dem auch im Parlament niemand wusste. In den Jahren 1953 – 1955 wurden im Rahmen einer geheimen Vereinbarung zehn Tonnen Uran aus Belgisch-Kongo geliefert. Die Hälfte davon lagerte im Forschungsreaktor Diorit in Würenlingen – dem Sitz des heutigen Paul Scherrer – Institutes – als Rohstoff für die Atomwaffenfertigung. 1958 wurde diese Politik offiziell. «In Übereinstimmung mit unserer jahrhundertealten Tradition der Wehrhaftigkeit ist der Bundesrat deshalb der Ansicht, dass der Armee zur Bewahrung der Unabhängigkeit und zum Schutze unserer Neutralität die wirksamsten Waffen gegeben werden müssen. Dazu gehören Atomwaffen», hiess es in einer Erklärung des Bundesrates. Inoffiziell sollte solange auf den Bau verzichtet werden, als dass keine anderen Mächte als die USA, Sowjetunion und Grossbritannien darauf setzten. Vor allem die deutschen Bombenpläne wurden argwöhnisch verfolgt. In den kommenden Jahren wurden geheime Aufrüstungspläne ausgearbeitet, auch Atombombentest waren dabei vorgesehen. Die Schweiz sei in der Lage, binnen von vier Jahren eine Atombombe zu entwickeln, das Know-How und das Geld seien vorhanden, hiess es damals im Militärkreisen. Erst mit Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages im November 1969 waren diese Makulatur. An der Option wurde indes grundsätzlich weiter festgehalten, auch wenn der Atomwaffensperrvertrag 1977 ratifiziert wurde. Die Nachfolgeorganisation der Studienkommisson für Atomenergie, der Arbeitsausschuss für Atomfragen, wurde erst 1988 aufgelöst. Seit 1995 trägt die Schweiz mit der Zustimmung zur unbefristeten Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages und zum Atomteststoppabommen die internationalen Bemühungen für ein Ende der Atomwaffen mit. Im Februar 2016 wurden 20 kg waffenfähiges Plutonium, das sich seit über 50 Jahren im Schweizer Besitz befand, in die USA transportiert.


Strommix in Deutschland, der Schweiz und Österreich 2014

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Im Innern des nie in Betrieb gegangenen AKW Zwentendorf

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Mensch + Energie

Vor dem Hintergrund der aktuellen „Energiewende“-Debatten möchten wir einen kritischen Diskussionsbeitrag leisten für all jene, die mehr wissen wollen zum Thema Energie. Und wir möchten einen Beitrag leisten, die tiefen ideologischen Gräben zu überwinden, die Befürworter und Gegner trennen. Denn die Wahrheit wird bei diesem Thema sehr schnell relativ bzw. relativiert, man bewegt sich auf einem Feld, in dem sich Experten, Meinungsmacherinnern, Ideologen, Betroffene, Opfer, Lobbyisten, Politikerinnen und Weltenretter tummeln. Sie alle sollen zu Wort kommen, sie sollen von ihrer Wahrheit erzählen, der Wahrheit des Strahlenopfers ebenso wie jener des Kraftwerkbetreibers, des Befürworters und der Gegnerin.

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