Jürg Rasi, Landwirt, Schweiz

"Ich habe kein Vertrauen"

Jürg Rasi ist Bauer und lebt mit seiner Familie dort, wo möglicherweise ein Endlager gebaut werden soll. Diese Möglichkeit hat ihn und seine Frau politisiert. Er ist heute gegen Kernenergie.

„Mir scheint, dass unsere Demokratie bei einer Technologie wie der Kernenergie an ihre Grenzen stösst – und umgekehrt. Ich und meine Frau Rachel waren bis vor Kurzem keine Gegner der Kernenergie und sicher keine Freunde von linken oder grünen Gruppen. Das hat sich geändert, als ich plötzlich sah, dass über sechs Hektar unseres Bodens künftig dem Endlager dienen sollen. Wir wurden darüber nicht einmal persönlich informiert. Natürlich sind dies erst Pläne, aber für uns hätte ihre Realisierung grosse Konsequenzen. Wir sind uns der Widersprüchlichkeit unserer Wandlung bewusst und akzeptieren Kritik an diesem Verhalten. Es ist wahr, wir haben uns früher über die Kernenergie wenig Gedanken gemacht, doch der Unfall in Fukushima hat uns sensibilisiert. Wir sind inzwischen gegen die Atomenergie, aber auch enttäuscht wegen der Endlagerpläne. Die Verantwortung sollte nicht in den Händen einer Privatfirma liegen, nämlich der Nagra, die von der Kernenergie produzierenden Industrie abhängt. Die Nagra missbraucht Gelder, welche gesetzlich für die Entsorgung vorgesehen sind, für Propaganda und die Unterstützung von ihr wohl gesinnten Organisationen, wie das Forum Vera. Es bekommt jährlich 200‘000.- Franken. Niemand kann nachvollziehen, was die Nagra mit dem Geld macht und ich befürchte, dass sie mit den wissenschaftlichen Untersuchungen im dunklen Kämmerlein auch so verfahren wird. Die Nagra spricht von der besten Lösung, was sie schon beim Wellenberg getan hat. Heute ist dieser Standort der schlechteste Ort und ist von der Nagra aus dem Auswahlverfahren gekippt worden. Das Weinland ist höchstens der beste aller schlechten Standorte für ein Tiefenlager. Es gibt hier Grundwasser. Auch wenn behauptet wird, es werde nicht in Mitleidenschaft gezogen, sind wir misstrauisch. Die Gemeinden Marthalen, Trüllikon, Benken und Rheinau sind auch betroffen und auch dort wächst die Skepsis. Wir haben deshalb mit anderen Bauern gegen die Nagra-Pläne demonstriert und auf meinem Grundstück habe ich ein Plakat aufgehängt. Wenn wir das Endlager schon nicht verhindern können, wollen wir beim genauen Standort der Oberflächenanlagen mitbestimmen. Zudem fordern wir Bauern Investitionssicherheit: Falls wir den Hof beim Bau des Tiefenlagers aufgeben müssten, oder durch das schlechte Image eines Endlagers ökonomische Nachteile erfahren, garantiert niemand die Rückzahlung der vorher notwendig gewordenen und getätigten Investitionen oder erlittene Verluste. Ebenfalls ist bei einem Unfall mit austretender Strahlung nicht geregelt, wie damit umgegangen werden soll. Etwa so wie in Fukushima? Wir brauchen Planungssicherheit. Sonst leben wir mit grosser Unsicherheit und fühlen uns über den Tisch gezogen. Es gibt vieles, wofür wir in den nächsten Jahren werden kämpfen müssen. Doch das Hauptproblem ist: Wir haben in die Nagra kein Vertrauen.“

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Ringen um Vertrauen