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Keine Grenzwerte für Uran in der Landwirtschaft

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Uran gelangt über Phosphatdünger in den landwirtschaftlichen Kreislauf und auf unseren Esstisch.  Im zweiten Teil unserer Serie erfahren Sie, wie die verantwortlichen Behörden das Risiko einer Vergiftung einschätzen. Und Sie lesen, warum die Bauern über das auf ihren Äckern ausgebrachte Uran nichts wissen sollen. 

„Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt“, lautet der Titel eines alten Volkslieds. Im Frühjahr ist nicht nur die Zeit des Pflügens und der Aussaat, auch der Nährstoffbedarf der Ackerpflanzen ist  am höchsten. Zum Einsatz kommt auch Phosphatdünger. Phosphat bindet natürlich vorkommendes Uran - in Wasser, Boden und Luft - an sich, wie  im ersten Teil unserer Recherche beschrieben. Doch wieviel Uran wird in der Pflanze gespeichert und ab welchem Wert spricht man von einem Gesundheitsrisiko? Ein unbeliebtes Thema, wie wir erfahren mussten.

 

Verantwortliche sehen kein nennenswertes Risiko

 

Auf Anfrage beim Umweltbundesamt Deutschland kam keine Antwort. Im Gespräch mit Alexandra Gisler vom Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) zeigt sich jedoch, dass von dieser Institution der Urangehalt immer wieder untersucht wird. Das für Düngemittelzulassung zuständige Amt vertritt die Position, dass aktuell von „geringer Gefährdung“ auszugehen ist.

Das verantwortliche deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weisen auf Anfrage die Zuständigkeit von sich – und das obwohl sie an verschiedenen Studien zu Uran in der Landwirtschaft beteiligt waren. Vergangenes Jahr stellten die Ämter in gemeinsamer Bewertung fest, „dass aus Vorsorgegründen die Aufnahme von allen Stoffen mit toxischem Potenzial durch die Bevölkerung so gering wie möglich gehalten werden sollte“, erklärt Pressesprecherin Sophie Stahlberg vom deutschen Bundesministerium für Energie und Landwirtschaft (BMEL). Die Untersuchung ergab, „dass für die Verbraucher derzeit kein nennenswertes gesundheitliches Risiko durch Uran in Lebens- und Futtermitteln erkennbar ist.“ Stahlberg bezieht sich auf Ergebnisse des Wissenschaftlichen Beirats für Düngungsfragen von 2013, der das BMEL berät. Es gibt keine aktuelleren Studien. 

 

Keine Kennzeichnungspflicht, keine Grenzwerte

 

Die deutsche Düngemittelverordnung enthält bislang für Uran in Phosphatdünger keine Kennzeichnungs- oder Grenzwerte. Der Bauer weiß nicht, was er sich auf seinen Acker kippt und hat keine Möglichkeit auf weniger uranhaltige Produkte auszuweichen. Ahnungslos sind auch die Konsumenten. Das deutsche Umweltbundesamt schreibt in seiner Studie „Uran in Boden und Wasser“ 2012: „Wenn eine Aufnahme von Uran durch Pflanzen stattgefunden hat, lassen sich in den Wurzeln die höchsten Urangehalte messen; in den oberirdischen Pflanzenteilen sind die Urangehalte noch deutlich geringer. Eine strahlenschutzrechtliche Relevanz ist aufgrund der geringen Radiotoxizität, vom Boden zur Pflanze (Anm. d. R.), nicht gegeben.“

Auch in der Schweiz gibt es keine Grenzwerte und keine Kennzeichnungspflicht für den Uran-Gehalt in Phosphatdüngern. Man wolle die Bauern nicht verunsichern, erklärt Alexandra Gisler vom Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft. „Anstelle eines Grenzwerts verfolgen wir das Ziel importierte Phosphatdünger durch mineralische Recyclingdünger zu ersetzen, um den Uraneintrag auf Schweizer Böden zu minimieren.“ So oder so: Auch in geringen Mengen landet das Uran auf dem Esstisch des Verbrauchers.

 


 Wieviel Uran im Phosphatdünger steckt, ist unklar. Es gibt keine Kennzeichnungspflicht und Deutschland und der Schweiz. (Bild: GoAnimate)

 

Entscheidet die Dosis?

 

Das deutsche Umweltbundesamt kommt 2012 zu dem Ergebnis, dass durch menschliches Tun „Uran in die Böden Deutschlands primär im Zuge der Verwendung uranhaltiger, mineralischer Phosphatdünger auf landwirtschaftlich genutzter Flächen eingetragen“ wird. „Es ist logisch, dass eine Anreicherung stattfinden kann, wenn man Uran im Dünger auf dem Boden ausbringt. Aber die Frage ist die Dosis“, erklärt Alexandra Gisler vom Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft. „Es sollte in Betracht gezogen werden, die Urankonzentrationen in Düngern regelmäßig zu beobachten“, heißt es in der Studie „Marktkampagne Dünger 2011/2012. Gisler, Co-Autorin dieser Studie weiter: „Da Pflanzen kaum Uran aus dem Boden aufnehmen, wird eine Gefährdung über Futter- oder Lebensmittel als gering eingeschätzt. Es verbleibt das Risiko einer Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt über eine mögliche langfristige Anreicherung im Boden und Auswaschung ins Grund- und Trinkwasser.“ 

„Der Wissenschaftliche Beirat für Düngungsfragen, der die Bundesregierung in Fragen der Düngung berät, sieht keine gesicherte Basis für eine Festlegung von Kennzeichnungsschwellenwerten oder Grenzwerten für Uran in Düngemitteln. Gleichwohl empfiehlt der Beirat die Verwendung möglichst Uran-armer Ausgangsgesteine für die Herstellung von mineralischen Phosphat-Düngern“, erklärt Sprecherin Sophie Stahlberg vom BMEL. Darüber hinaus schlägt der Wissenschaftliche Beirat vor, „die Urangehalte in Düngemitteln, Böden, Oberflächengewässern und im Grundwasser“ zu genauer überwachen.

 

Schadstoffe entfernen wirtschaftlich fragwürdig

 

Was kann gegen Uran-Anreicherung getan werden? „Eine Reduzierung des Eintrags durch Entfernung von Uran aus den Rohphosphaten sowie die Rückgewinnung von Uran aus Kraftwerksaschen ist technisch möglich, wird wohl aber erst mit deutlich steigenden Rohstoffpreisen wirtschaftlich attraktiv“, schreibt das deutsche Umweltbundesamt 2012. In der Schweiz wird aktuell mit Recycling Dünger und Phosphor-Rückgewinnungspflicht daran gearbeitet, dass weniger Uran im Phosphor auf den Äckern landet. Recycling Dünger besteht aus sekundären und erneuerbaren Stoffen – anders als Phosphat, das als Primärrohstoff nicht wiederverwendet werden kann. 

 

Empfehlung für Grenzwerte

 

Das deutsche Umweltbundesamt empfiehlt auf seiner Website, den Uran-Gehalt in Phosphat-Düngern wie folgt zu regeln: Kennzeichnung ab 20 Milligramm Uran je Kilogramm Phosphat, Grenzwert 50 Milligramm Uran je Kilogramm Phosphat. Der Schweizer Bauernverband forderte im März 2014, die „Deklaration der Schwermetallgehalte in Mineraldüngern zu prüfen.“ Bisher ist nichts geschehen. Das Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft schlägt für die Zukunft vor, einen Grenzwert festzulegen, aktuell aber noch nicht.

Uran gehört, wie alle anderen Schwermetalle und Gifte, nicht in den menschlichen Körper. Deshalb dürfte aus ethischen und gesundheitlichen Gründen eigentlich nichts davon auf Äckern verteilt werden. "Das ist natürlich richtig, aber das ist eine Frage der gesamtgesellschaftlichen Güterabwägung. Die Frage ist, was kostet es, entweder den Schadstoff zu vermeiden oder den Schadstoff zu entfernen“, sagt Edward Schnug, Professor an der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig im Interview mit dem SWR2.
Solange die verantwortlichen Ämter keine Gefährdung von Mensch und Natur sehen, wird weiter Uran auf deutschen und Schweizer Äckern angereichert. Die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO sind auf politischen Druck möglichst auf das Maximum erhöht. Aus wirtschaftlichen Interessen werden Verbraucher und Landwirte hinters Licht geführt. 

 

Quellen:

Interview mit Alexandra Gisela vom Bundesamt für Landwirtschaft Schweiz (BLW)

Anfrage beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMEL), Pressesprecherin Sophie Stahlberg

SWR2 Manuskript zur Sendung „Risiko Uran – Die schleichende Vergiftung“ von Peter Jaeggi (2018)

Das Umweltbundesamt „Uran im Boden und Wasser“ Publikation (2012)

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMEL) Deutschland (2013) über die Ergebnisse des wissenschaftlichen Beirats