Die USA bewilligen weiter neue Atomkraftwerke

geschrieben von  Manuela Ziegler

Seit 2012 wurden 12 kombinierte Bau- und Betriebsbewilligungen für Kernkraftwerke in den USA erteilt, das jüngste ist North Anna in Virginia. Die unter Barack Obama beschworene atomare Renaissance entpuppt sich als schweres und gefährliches Erbe.

Die Hoffnung auf eine Wiedergeburt der Kernenergie wird in den USA weiter genährt. Ende Mai 2017 ertreilte die Nuclear Regulatory Commission (NRC) eine kombinierte Bau- und Betriebsbewilligung für eine dritte Kraftwerkseinheit in North Anna, Virginia. Dabei stehen die Zeichen schlecht für die Atomwirtschaft. Erst im Vormonat hatte der US-Konzern Westinghouse, eine Kraftwerkstochter der japanischen Toshiba, Konkurs angemeldet (wir berichteten). Die US-Regierung übernahm eine Bürgschaft von über acht Milliarden Dollar für den einstigen AKW-Pionier. Es steht aber noch viel mehr auf dem Spiel. Denn Westinghouse Technik ist in über 400 Kernkraftwerken weltweit verbaut. Die internationale Sicherheit ist in Gefahr.

Obama läutete Neubaupläne ein
Den Traum von der atomaren Renaissance wurde unter dem früheren Präsidenten Barack Obama geboren. Zwar liess er im Zeichen der Reaktorkatastrophe von Fukushima sämtliche US-Kernkraftwerke überprüfen, doch hinter den Kulissen wirkte eine mächtige Pro-Atom-Lobby auf den Regierungsapparat. Obama und weitere Befürworter argumentierten, mit einem Ausbau der Atomenergie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern und erneuerbare Energien erschliessen zu können. Denn letztere reichten mit einem Anteil von damals 15 Prozent am Gesamtenergiebedarf der Vereinigten Staaten bei weitem nicht aus. Zum ersten Mal seit 1978 genehmigte die Nukleare Regierungskommission die Errichtung zweier neuer Atomreaktoren im bestehenden Kernkraftwerk Vogtle im Bundesstaat Georgia. Der Startschuss für die Neubauten war nach mehr als 40 Jahren eingeläutet. Sicherheitsbedenken spielten so gut wie keine Rolle, die Frage der Endlagerung schon gar nicht. Im Gegenteil: Obama argumentierte, Atomenergie sei sauber und sicher.

Nachrichten von Pittsburgh TV zum Konkurs des Konzerns und seiner Bedeutung für die Mitarbeiter in der Region. 

Baukosten aus dem Ruder gelaufen
Obamas Atompolitik war nicht nur ein falsches Signal in Sachen Umwelt- und Klimaschutz, auch wirtschaftlich könnte sie zu einem Desaster für die USA werden. Berichten des digitalen Onlinemagazins Telepolis zufolge denkt der Betreiber der Kernkraftwerke in South Carolina nach dem Bankrott von Westinghouse darüber nach, sein Projekt völlig aufzugeben. Die Kosten sind aus dem Ruder gelaufen, auch auf den ersten beiden Baustellen Vogtle in Georgia, welche die atomare Renaissance einleiten sollten. Von mehr als sechs Millarden Dollar Defiziten an den halbfertigen Reaktoren ist die Rede. Ob oder wann die übrigen sieben bewilligten Reaktoren für Michigan, Texas, Florida und South Carolina jemals gebaut werden, ist fraglich. Zwei weitere Gesuche für den Standort Turkey Point in Florida sind beim NRC noch in Bearbeitung. Grotesk scheinen die Gesuche, wie auch die jüngste Bewilligung, ist doch der Traum von der  atomaren Wiedergeburt bereits wie eine Seifenblase zerplatzt. Es besteht dringend Handlungsbedarf für die amtierende Regierung. Doch deren Gebaren wirkt hilflos. Wie die New York Times berichtete, wollen der amtierende Präsident Trump und sein Team einen chinesischen Investor für Westinghouse unter allen Umständen vermeiden. Ob es einen solchen überhaupt gibt, ist noch unklar. Doch die Furcht vor einer chinesischen Übernahme scheint riesig.

Angst vor chinesischer Übernahme
Denn China gilt in mehrfacher Hinsicht als Konkurrent. Nicht zuletzt, weil die Volksrepublik selbst in Sachen Atomenergie expandiert. Sie plant ihre rund 20 Reaktoren in den nächsten Jahren zu verdoppeln, aber die Technologie liegt hinter der des Westens. So könnte der ehrgeizige und wohlhabende Rivale zum Vorreiter nuklearer Energie werden. Doch das potentielle Sicherheitsrisiko flösst der US-Regierung vermutlich noch mehr Angst ein. Denn obwohl der Westinghouse Konzern derzeit keine atomaren Waffen herstellt, könnte China Wege finden, mit der Technologie sein nukleares Waffenarsenal zu verbessern. Auch die Japaner sind in Habacht-Stellung. Ein zuständiges US-Regierungskomitee könnte eine chinesische Übernahme in der Tat blockieren und vielleicht das Schlimmste abwenden. Doch schlimm genug ist schon jetzt die weltweit klaffende Sicherheitslücke durch den bankrotten Westinghouse Konzern, der bisher auch für die Revisionen zuständig war; von den betroffenen Mitarbeitern ganz zu schweigen. Aber auch von der Regierung Trump wird wohl keine zukunftsweisende Richtungsänderung in Sachen Energiepolitik zu erwarten sein. Der Präsident ist bekennender Befürworter der Atomenergie. Und sein reaktionäres Wahlversprechen zum Wiederaufbau der maroden Kohlewirtschaft ist hinlänglich bekannt.

 

Quellen:

http://www.nuklearforum.ch/de/aktuell/medien/medienmitteilungen/weitere-baubewilligung-fuer-kernkraftwerk-den-usa
https://www.heise.de/tp/news/Toshiba-Westinghouse-Atomkonzerne-in-Schwierigkeiten-3691072.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/ausbau-der-atomkraft-us-atombehoerde-genehmigt-ersten-akw-neubau-seit-1978-a-814395.html

 

Siedewasserreaktor

  • Siedewasserreaktor

    Beim Siedewasserreaktor gibt es im Gegensatz zum Druckwasserreaktor keine zwei Wasserkreisläufe. Der Dampf wird vom Reaktordruckgefäß direkt zu den Turbinen geleitet. Der Dampf enthält deshalb Spuren kurzlebiger radioaktiver Stoffe, die aber nach wenigen Minuten abklingen.

Druckwasserreaktor

  • Druckwasserreaktor

    Der Druckwasserreaktor (in der Schweiz die Reaktoren in Beznau und Gösgen) besteht aus zwei Wasserkreisläufen. Die Erhitzung des primären Wasserkreislaufes geschieht im Reaktordruckbehälter, der sich im Reaktorgebäude befindet. Dort wird unter hohem Druck Wasser erhitzt, ohne dass es siedet. Das erhitzte Wasser wird zur Erhitzung eines zweiten Wasserkreislaufs verwendet, dessen Wasser verdampft. Der Dampf dient dem Antrieb von Turbinen. Die Turbinen für die Stromerzeugung befinden sich im Maschinenhaus. Über dem Kühlturm, dem Wahrzeichen eines Kernkraftwerkes, tritt die feuchte, warme Luft aus.

Mensch + Energie

Vor dem Hintergrund der aktuellen „Energiewende“-Debatten möchten wir einen kritischen Diskussionsbeitrag leisten für all jene, die mehr wissen wollen zum Thema Energie. Und wir möchten einen Beitrag leisten, die tiefen ideologischen Gräben zu überwinden, die Befürworter und Gegner trennen. Denn die Wahrheit wird bei diesem Thema sehr schnell relativ bzw. relativiert, man bewegt sich auf einem Feld, in dem sich Experten, Meinungsmacherinnern, Ideologen, Betroffene, Opfer, Lobbyisten, Politikerinnen und Weltenretter tummeln. Sie alle sollen zu Wort kommen, sie sollen von ihrer Wahrheit erzählen, der Wahrheit des Strahlenopfers ebenso wie jener des Kraftwerkbetreibers, des Befürworters und der Gegnerin.

Entwicklung der Kraftwerks-Generationen

  • Entwicklung der Kraftwerks-Generationen

    Die ersten kommerziellen Kernkraftwerke gingen zwischen 1956 und 1965 ans Netz. Sie zählen zu den Kernkraftwerken der ersten Generation. Ihre elektrische Leistung war noch meist unter 200 MW. Die in Europa geläufigen Kraftwerke entstammen der zweiten Generation und sind meist Druckwasserreaktoren. Die Mehrheit von ihnen wurde vor dem Reaktorunglück von Tschernobyl in Betrieb genommen. Die Generation 3 ist eine evolutionäre Weiterentwicklung der zweiten Generation. Die Weiterentwicklung betrifft vor allem die sogenannt passiven Sicherheitssysteme. So wurde der Boden unter dem Reaktordruckbehälter sowie das Reaktorgebäude deutlich verstärkt – wie dies in Olkiluoto in Finnland der Fall ist. Auf der gleichen Technik basieren auch die Kernkraftwerke der Generation 3+. Die Kernkraftwerke der 4. Generation werden noch entwickelt. Sie könnten Natrium (Salz) statt Wasser als Kühlmittel verwenden, eine Betriebstemperatur von 1000 Grad (statt 300 Grad) erreichen, und statt Uran könnten sie Thorium sowie Plutonium als Brennstoff nutzen. Die Konzepte liegen schon lange vor, eine Realisierung ist nicht in Sicht. Zur 4. Generation könnten aber auch kleine Modulreaktoren gehören, die in den USA im Gespräch sind. Bei Modulreaktoren besteht ein Kernkraftwerk nicht aus einem großen, sondern aus mehreren kleinen Reaktoren. Bei der Wartung, einer Inspektion oder dem Ausfall eines Reaktors liefern die anderen Reaktoren weiterhin Energie.

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