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Fukushima: Es wird später werden

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Die Aufräumarbeiten in Fukushima verzögern sich weiter um mindestens drei Jahre. Die Entfernung der Brennstäbe aus den Reaktoren 1, 2 und 3 bereitet offenbar einige Probleme. Über die Gründe schweigen sich die Verantwortlichen aus. Dabei täte Transparenz dringend Not.

«Wenn wir Wissenschaftler von Fukushima sprechen, dann geht es nicht nur um das Bekannte, sondern auch um das Unbekannte, das, was wir nicht wissen und nicht ausschliessen können, sei es ein neues Erdbeben oder ein neuer nuklearer Unfall, und es ist unsere Verantwortung, beides objektiv, logisch und allgemein verständlich zu erläutern.» Die Ärztin Sae Ochi schlägt in einem Beitrag auf der Webseite des japanischen Forums der Atomindustrie (JAIF) neue, bemerkenswerte offene Töne an. Ein Signal? Vorbei scheint die Zeit, als japanische Wissenschaftler im Stil von Oberlehrern radioaktive Strahlung verharmlosten und die Folgen der atomaren Katastrophe in Fukushima herunterspielten und dabei vor allem den Eindruck erwecken wollten, man habe die Lage im Griff. Dass dem nicht so ist, zeigt die jüngste Verlautbarung zu Entsorgung und Rückbau der zerstörten Atomkraftwerke in Fukushima. Und da ist sie auch wieder, die positivistische Sprache, in die eine Nachricht verpackt wird, die gerade mit Blick auf das hohe Erdbebenrisiko zu Recht hervorruft, was Sae Ochi «Gerüchte und Ängste» nennt. Die Öffentlichkeit erwarte von den Wissenschaftlern, dass sie diese nicht auch noch mit dem Bekenntnis, es nicht zu wissen, weiter verunsichere. Dabei hätten diese sich bewusst darauf beschränkt, sich nur zu Dingen zu äussern, über die sie auch Bescheid wüssten. Das sei ein Fehler gewesen.

Verlautbarung ohne erklärende Worte
Wenn es um die Abklingbecken in den Reaktorgebäuden 1, 2 und 3 geht, dann werden die aktuellen, offenbar beträchtlichen Probleme indes schon gar nicht dargestellt. In der Erklärung der Betreiberfirma TEPCO ist zuerst einmal davon die Rede, man halte am Entsorgungsplan fest, der einen kompletten Rückbau binnen 30 bis 40 Jahren vorsieht – ausgehend von der Entfernung des radioaktiven Materials. So kann man die Wahrheit auch zurechtbiegen. Denn noch nicht einmal die vergleichsweise «einfache» Entfernung abgebrannter Brennstäbe aus den Abklingbecken, wie sie am vierten Reaktor 2014 abgeschlossen wurde – ein Misslingen hätte katastrophale Folgen gehabt, gelingt nach Plan. Es werde bei den drei anderen Abklingbecken eine dreijährige Verzögerung geben. Über die Gründe schweigt sich TEPCO aus, auch die Kommission der Regierung, die dieses Vorgehen empfohlen hatte, sprach nur von «technischen Fragen» und «Sicherheitsauflagen». An einer Pressekonferenz spielte Naohiro Masuda die Folgen herunter. «Das Wichtigste ist doch, dass wir den Rückbau als Ganzes optimieren».

Mehr Ungewissheit als Gewissheit
Die Verzögerung mag ihre guten Gründe haben. Amerikanische Experten meinen, es mache Sinn, der Sicherheit der Beschäftigten Vorrang zu geben und nicht übereilt zu handeln. So müsse aus dem Abklingbecken von Reaktor eins hochradioaktiver Schutt entfernt werden, während es beim zweiten Reaktor darum gehe, zuerst das Dach zu entfernen. Das Schweigen der Verantwortlichen wird dennoch wenig dazu beitragen, «Gerüchte und Ängste» zu zerstreuen. Zumal es nicht einfacher werden wird. Zwar halten die Verantwortlichen am Zeitplan fest, ab 2021 die geschmolzenen Reaktorkerne zu entfernen, doch nach wie vor weiss man nicht, wo sich diese überhaupt befinden. Und noch ist kein Roboter in Sicht, der es bei der extrem hohen Strahlung länger als ein paar Minuten macht. Noch nicht einmal in Planung ist zudem die Endlagerung dieser Abfälle. Darüber sprach niemand. Es könnte ja noch Angst machen.

Quellen:
http://www.jaif.or.jp/en/revisions-to-fukushima-daiichi-decommissioning-roadmap-delay-removal-of-spent-fuel/
http://www.jaif.or.jp/en/responsibility-for-explaining-the-unknowable/
https://english.kyodonews.net/news/2017/09/78e4a80a87f3-update1-spent-fuel-removal-at-fukushima-nuclear-plant-delayed-by-3-years.html
http://www.newsweek.com/fukushima-cleanup-highly-radioactive-nuclear-fuel-will-remain-reactors-until-671457